Vertrauensärzte des Wohlfahrtfonds
Oktober 15, 2024
Vertrauensärzte des Wohlfahrtfonds
Die Vertrauensärzte des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds werden vom Verwaltungsausschuss bestellt und sind zentral bei der Beurteilung und Unterstützung von erkrankten Mitgliedern. In einem ausführlichen Gespräch geben die Vertrauensärzte Manfred Greslechner und Paul David Schönfeld Einblick in ihre Aufgaben, Herausforderungen und die besonderen Aspekte ihrer Tätigkeit.
Ärzt*in für Wien: Sie sind seit Mai 2022 als Vertrauensarzt für den Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds tätig. Was sind Ihre Hauptaufgaben in dieser Funktion und welche Verantwortung übernehmen Sie in dieser Rolle?
Schönfeld: Grundsätzlich werden wir dann tätig, wenn eine Ärztin oder ein Arzt mindestens drei Monate durchgehend arbeitsunfähig ist oder, wenn es Unstimmigkeiten zwischen Diagnosen und der Dauer der Arbeitsunfähigkeit gibt. In diesen Fällen wird unsere medizinische Expertise eingeholt, meist durch einen Anruf der Verwaltungsangestellten der Concisa oder durch festgelegte Termine in der Concisa, bei denen wir die Fälle vor Ort bearbeiten.
Ärzt*in für Wien: Wie schnell geht das von der Antragstellung bis zur Begutachtung?
Schönfeld: Wenn alle Unterlagen vorliegen, kann der Prozess relativ schnell innerhalb von ein bis drei Wochen abgewickelt werden. Oftmals fehlen jedoch Unterlagen, was den Prozess verzögert. Aber im Prinzip, wenn eine Kollegin oder ein Kollege alles einreicht und wir alle notwendigen Unterlagen haben, geht es relativ schnell. Dann erfolgt die weitere Kontaktaufnahme wie Kollege Bope beschrieben hat in der Concisa.
Ärzt*in für Wien: Wie erfolgt die Zuteilung der Fälle?
Greslechner: Die Zuteilung der Fälle erfolgt entsprechend unserer Fachrichtungen, um sicherzustellen, dass jeder Fall von der am besten geeigneten Expertise beurteilt wird. Für allgemeine medizinische Fragestellungen sind die Kollegen mit internistischen oder allgemeinmedizinischen Schwerpunkten zuständig, während ich mich auf psychiatrische Fälle konzentriere. Ich lade die betroffenen Kolleginnen oder Kollegen fast immer zu persönlichen Gesprächen ein, da der direkte Kontakt bei psychiatrischen Erkrankungen besonders wichtig ist. Dies ermöglicht es mir, eine umfassende Einschätzung der Situation vorzunehmen und die Fälle effektiver im Verwaltungsausschuss zu vertreten.
Ärzt*in für Wien: Nachdem die Fälle bei Ihnen begutachtet wurden, wie erfolgt die Vorstellung und Abstimmung der Fälle im Verwaltungsausschuss? Welche Schritte folgen auf Ihre Bewertung?
Schönfeld: Die Entscheidungsfindung im Verwaltungsausschuss über die Gewährung einer Invaliditätsversorgung basiert auf einer sorgfältigen Bewertung der von uns Vertrauensärzten vorgetragenen Informationen. Jeder Fall wird detailliert vorgestellt, wobei alle relevanten medizinischen und sozialen Aspekte beleuchtet werden. Je ausführlicher wir die Situation vor dem Gremium schildern, desto besser kann sich dieser hineinversetzen und eine Entscheidung treffen.
Ärzt*in für Wien: Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Beurteilung von Fällen?
Greslechner: Es ist emotional oft sehr fordernd, weil wir mit allerlei menschlichem Leid konfrontiert werden, besonders bei psychiatrischen Fällen. Es gibt oft harte Schicksale, bei denen man sich fragt,
ob eine Berufsfähigkeit an sich noch gegeben ist. Und oft ist es so, dass zwar eine befristete Invaliditätsversorgung angesucht wird, eine dauernde aber wahrscheinlicher erscheint.
Schönfeld: Viele Kolleginnen und Kollegen sind in einem Zwiespalt zwischen dem Wunsch, ihren Beruf fortzusetzen, und der Realität, dass ihre Erkrankung dies möglicherweise nicht zulässt. Ich sehe oft, auch bei mir im rheumatologisch-internistischem Bereich, dass Kolleginnen und Kollegen massiv leiden, weil sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr arbeiten können. Das ist sowohl für die Betroffenen als auch für uns als Gutachter eine große Herausforderung.
Ärzt*in für Wien: Könnten Sie uns ein anonymisiertes Beispiel für einen besonders herausfordernden oder speziellen Fall geben, den Sie während Ihrer Funktion begleitet haben? Welche Schwierigkeiten sind Ihnen dabei begegnet?
Schönfeld: Ich denke, dass Covid viel ausgelöst und gelehrt hat. Dies zeigt sich in der allgemeinen Bevölkerung, aber auch wir Ärztinnen und Ärzte sind da leider nicht ausgenommen. Wir waren in vielen Bereichen während der Pandemie stark exponiert und beobachten eine deutliche Zunahme sowohl rheumatologischer als auch psychiatrischer Komorbiditäten im Zusammenhang mit dem Long- oder Post-Covid-Syndrom. Diese Erkrankungen wurden und werden durch die Pandemie stark getriggert und ausgelöst. Dies ist ein besonders erwähnenswerter Bereich, da in den letzten Jahren viele unserer Kolleginnen und Kollegen davon betroffen waren.
Aber es gibt auch schöne Aspekte unserer Tätigkeit. Wir dürfen die Partusgelder, also die Geburtsgelder, bestätigen. Es ist immer schön zu sehen, wie Kolleginnen Nachwuchs bekommen und Kinder in die Welt setzen. Diese Aufgabe ist mit viel Freude verbunden und ein positiver Teil unserer Arbeit als Vertrauensärzte.
Ärzt*in für Wien: Neben Covid, gibt es noch Auffälligkeiten oder Tendenzen hinsichtlich vermehrt auftretender Krankheiten?
Greslechner: Besonders auffällig ist der Anstieg von Erschöpfungsdepressionen und Burnout-Erkrankungen, insbesondere bei Kolleginnen und Kollegen, die im Krankenhausbereich in Nachtdiensten arbeiten. Die hohe Belastung und die Ausdünnung der Nachtdiensträder führen oft zu einer massiven Belastung der psychischen und physischen Gesundheit. In gewissen Bereichen wie in der Psychiatrie oder der Kinder- und Jugendheilkunde gibt es deutliche Engpässe. Diese Probleme verstärken sich durch Kettenreaktionen, wenn Kolleginnen und Kollegen krank werden und die Belastung für andere steigt.
Schönfeld: Dies betrifft nicht nur Krankenhäuser, sondern auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Viele zögern, sich krankzumelden, da die Arbeitsbelastung auch in den Praxen gestiegen ist.
Ärzt*in für Wien: Wie viele Fälle bearbeiten Sie pro Monat oder Quartal?
Greslechner: Pro Sitzung, diese finden alle sechs Wochen statt, sind es bei mir etwa sechs Patientinnen oder Patienten mit psychiatrischer Diagnose.
Schönfeld: Bei mir sind es zwischen acht und zwölf Fälle pro Sitzung. Die Anzahl ist ausgeglichen, obwohl in letzter Zeit eine Zunahme an onkologischen Diagnosen zu beobachten ist. Dies führt oft zu langen Berufsunfähigkeitszeiten und einem schwierigen Wiedereinstieg ins Berufsleben der Kolleginnen und Kollegen.
Ärzt*in für Wien: Was motiviert Sie noch in Ihrer Funktion als Vertrauensarzt?
Schönfeld: Die Begleitung der Kolleginnen und Kollegen in schwierigen Zeiten und die Unterstützung beim Wiedereinstieg ins Berufsleben sind wesentliche Motivationen. Auch wenn wir als Gutachter agieren und nicht als behandelnde Ärzte, ist es erfüllend, die eigene Expertise einzubringen und den Kolleginnen und Kollegen zu helfen.

